SCHWEIN HABEN - SCHWEIN TEILEN - SCHWEINE INS NETZ
GUNDA: Manchmal scheint es so, als könnten wir keinem Schwein was tun. Wir führen ein ganz normales Leben, mit ganz normalen alltäglichen Verrücktheiten.

Man sieht uns nichts an, bis - ja, bis wir plötzlich mitten im Alltag, auf der Straße, in der Bahn oder wo auch immer wir gerade sind, unser Badeschwein aus der Tasche ziehen und endlich mal so richtig DIE SAU RAUSLASSEN...

Aber warum? Und wie fing das an?

SCHWEIN HABEN
ORTRUN: Eines Tages, den wir versäumt haben, im Kalender rosa anzustreichen, brachte Aleks aus einem Buchladen einfach so ein Schwein für mich mit.

Ich legte mein Schwein an den Badewannenrand, wo es hingehörte. Höhepunkte in seinem Dasein waren vereinzelte Badevergnügen.

GUNDA: Es war wahrscheinlich an einem der langen Tee-Nachmittage mit Ortrun (ich musste das Eingefüllte wohl mal loswerden), als ich das Schwein entdeckte.

Ich war von diesem Tier sofort begeistert. Dieser treudoof-erstaunte Blick und dann die Tragik, dass der Bauch einfach zu dick ist, um mit den Füßen auf die Erde zu kommen.

Ja, eine gewisse Hilflosigkeit ist diesem Tier schon eigen, das noch nichtmal alleine laufen könnte (abgesehen davon, dass Plastikschweine sowieso nicht alleine laufen können). Und mal ganz ehrlich: Kennen wir nicht alle dieses Gefühl, keinen Fuß auf den Boden zu bekommen? Fühlen wir uns nicht auch manchmal fett, hilflos oder aufgeblasen? Aber ich will unsere Schweine jetzt nicht dem Spott preisgeben. Sie haben auch eine großartige ästhetische Seite, die ich allerdings erst viel später erkannt habe.

ORTRUN: Es stand fest: Gunda muss auch ein Schwein haben. Als mir einmal unterwegs einfiel, dass ich mich darum kümmern wollte, notierte ich es auf irgendeinem Zettel aus meinem Rucksack.

Dieser Teebeuteltütcheneinkaufszettel ist natürlich inzwischen Millionen wert. Oder bald.

GUNDA: Als Thomas und ich unseren Abschied gefeiert haben, um für ein bis zwei Jahre nach Japan zu gehen, schenkten uns Ortrun und Aleks unser eigenes Badeschwein. Ich habe mich zunächst riesig über die Badezimmerbereicherung gefreut, ohne zu ahnen, welches (Sucht-) Potential in diesem kleinen Tierchen steckt.
SCHWEIN TEILEN
GUNDA: Das Schwein kam sofort mit nach Japan und lag dann erstmal einfach nur im Bad unseres Appartments im Gästehaus herum, bis wir nach einem Monat unsere eigene Wohnung hatten. Von dieser Wohnung habe ich Ortrun per e-mail einige Detailfotos geschickt.

Date: Wed, 10 Nov 2004 13:54:01 +0900
From: Gunda
To: Ortrun
Subject: nochmal Gunda mit Handy-Fotos

Mit dem Handy kann man auch Fotos machen. (Das Geraet gilt hier natuerlich
trotzdem als "alt".) Das Schwein erscheint immer, wenn jemand anruft, auf
dem Aussendisplay. :-)

ORTRUN: Ich hab's nicht gleich kapiert, weil das Handy das Schweinebild nicht schicken konnte. Fast eine Woche dauerte es noch, bis ich begriff, was geschehen war: Gunda hatte das Schwein, unser Schwein fotografiert.
GUNDA: Da das erstmal das einzige lustige Foto war, das ich auf dem Handy hatte, richtete ich das Bild gleich als Displayhintergrund ein. Und ich freue mich auch jetzt noch immerwieder über das allererste Schweinefoto, wenn ich eine Nachricht versende.

Ortrun war von der Idee, das Schwein zu fotografieren ganz angetan.

Date: Thu, 2 Dec 2004 18:49:12 +0100
From: Ortrun
To: Gunda
Subject: Unser Leben mit Schwein

Ich hab mir was ausgedacht: Wir könnten beide eine Schweinefoto-Serie machen
(die veröffentlichen wir dann zusammen auf der homepage
gundasundortrunsschwein.de) - nee, im Ernst, ist das vielleicht eine lustige
Idee?
(...)
Ist ganz schön schwer, weil das Schwein immer gleich aussieht, und mit Blitz ist
ganz doof.
Eigentlich ist die Idee abgeguckt, denn vor ein paar Jahren habe ich
ein Buch entdeckt von einem, der mit zwei (ziemlich großen) Pinguinfiguren
durch die ganze Welt reist und Fotos macht. Tolle Fotos, obwohl sich auch da
schon die Starre der Plastiken bemerkbar macht. Und die Idee, überhaupt das
Schwein zu fotografieren, hab ich natürlich von dir.
Na, machst du mit?

GUNDA: Na klar wollte ich mitmachen! Aber Ortrun hatte Recht: Das Schwein sieht nur durch die verschiedenen Arrangements unterschiedlich aus und ist dazu noch überraschend kontrastarm.

Ein bisschen Angst hatte ich anfangs schon:

Date: Fri, 03 Dec 2004 01:28:40 +0100
From: Gunda
To: Ortrun
Subject: Re: Unser Leben mit Schwein

(...)
Aber es sollte kein Zwang werden. Sowas, wie "mindestens ein Foto am Tag"
oder so. O.k.?

 Aber ansonsten ist die Idee klasse!

Also dann los!!!

ORTRUN: Ich weiß nicht, wieso ich Gundas Naivität in diesem Punkt sofort erkannte. Vielleicht, weil sie gleich am ersten Tag sechzehn tolle Bilder geschickt hat? Oder weil ich selber nicht aufhören konnte, mit dem Gummitier auf Entdeckungsreise zu gehen?

Nach zwei Monaten hatten wir jedenfalls bereits über 600 Fotos zusammen.

GUNDA: Von da an schickten wir uns Fotoserien per e-mail hin und her, und wir wurden immer begeisterter von den Möglichkeiten, die uns diese Schweinefotos boten. Nicht zuletzt bekamen wir dadurch viele kleine Details aus dem Leben des anderen zu sehen, die wir bisher nicht wahrgenommen hatten oder noch nicht kannten.


Aber nur so die Fotos für uns behalten... - Nein, diese Idee wollten wir teilen und mit-teilen.

SCHWEINE INS NETZ
ORTRUN: Die anfängliche Scherzidee von der homepage wurde immer konkreter. Aleks hat geguckt, welche domains noch frei waren. Von ihm ist die Idee für den Namen der website.
Date: Tue, 14 Dec 2004 17:28:34 +0100
From: Ortrun
To: Gunda
Subject: go live

Heute morgen hatte ich keine Verbindung zu komma, und jetzt ist bei euch
schon wieder Nacht.
Soll ichs schon verraten?
Wir haben gestern Abend www.die-sau-mal-rauslassen.de gebucht!
Dauert jetzt natürlich alles. Was fürn Paket das jetzt genau ist, weiß ich
nicht, obwohl alles auf meinen Namen läuft. Jedenfalls kriegen wir auch
Software und ein Buch, und wenn Thomas meint, dass sogar du das kapieren
würdest...
Aleks freut sich auch ganz doll und meint, dass ich viel mehr Geduld hab als
er, das dann alles schön hinzubasteln. Wir werden sehen.

GUNDA: Damit wurde Ortrun unsere Webmasterin, und die Badeschweinseite war geboren.

Inzwischen halten sich unsere Schweine nur noch höchst selten im Bad auf. Meist werden sie dann vom Dreck befreit, den sie auf einem ihrer Ausflüge eingesammelt haben. Und unsere Schweine haben inzwischen ganz schön viel gesehen. (Vor allem im Vergleich zu anderen Schweinen dieser Sorte.)

Ich glaube, wer es mal versucht hat, stimmt mir zu, dass Schweinefotos nicht nur das befreite Schwein, sondern auch den/die jeweilige/n FotografIn glücklich machen.

Also: Lasst die Sau raus!